Gerade die Aktionen von faschistischen Akteuren rund um die CSDs in ostdeutschen Städten wie in Bautzen tauchen immer wieder Fragen um die verschiedenen rechten und faschistischen Akteure und Gruppen auf, die dort ihr Unwesen treiben. Mit dieser kurzen Broschüre wollen wir in dieser Frage etwas Licht ins Dunkle zu bringen.
Klar ist nicht automatisch jeder ein Faschist, der nicht im Fahrwasser der Ampel-Koalition mitschwimmt. Auf der anderen Seite leuchtet es aber auch ein, dass sich die Wenigsten selbst als Faschisten bezeichnen würden, wie es erstmals im Italien der 20er Jahre die Gruppe um Benito Mussolini voller Stolz machte. Tatsächlich sind der Begriffsbedeutung nach nicht alle Menschen jenseits der SPD Faschisten und auch bei der Anhängerschaft der AfD lohnt es sich durchaus, nicht alle in einen Topf zu werfen.
Der allgemein deutschen Bevölkerung ist nun mit Brief und Siegel erlaubt, den thüringischen AFD-Vorsitzenden Björn Höcke einen Faschisten zu nennen und viele machen (zu Recht) davon Gebrauch. Den wenigsten dürfte jedoch heutzutage klar sein, wie es denn überhaupt um das politisch rechte Spektrum steht und wer dessen Akteure sind. In der Realität ist nicht allen der zugehörigen Gruppen am Aufbau eines Nationalsozialismus 2.0 gelegen und trotz der vielen bestehenden Gemeinsamkeiten lohnt es sich, die Unterschiede zu verstehen. So verschieden wie die politische Ausrichtung und die Strategien sind, so verschiedenartig sind auch die Handlungsweisen. Was und vor allem wer ist also überhaupt gemeint, wenn wir vom „Rechtsruck“ sprechen.
Den Filz vergangener Tage, in welchen Hitler und Konsorten noch von einem tausendjährigen Reich träumten, trägt heute immer noch ein Teil der Rechten mit sich. Vor der Jahrtausendwende waren die faschistischen Parteien, welche sich in einer Traditionslinie mit der NSDAP sahen, noch deutlich zahlreicher. Mittlerweile haben sich die Reihen gelichtet. Das kann man ebenso über die Generation der Altnazis behaupten, welche nach dem 2. Weltkrieg weiterhin der Idee von Führer, samt auserwähltem Volk nachhing.
Mit Blick auf die Organisationen, welche die Jahrtausendwende überlebten, lässt sich als wohl Klassenältester die NPD, die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“, nennen. Seit 2023 hat sich diese in „Die Heimat“ umbenannt. Der neue Look geht dabei einher mit parteiinternen Auseinandersetzungen über deren Ausrichtung. Die für viele Anhänger als Verweichlichung empfundene Image-Anpassung führte unter anderem zu Mitglieder-Abwanderungen hin zum III. Weg. Auf diesen werden wir im Folgenden noch eingehen. Das letzte Mal machte Die Heimat unwillentlich von sich Reden, als eine Debatte über das Parteiverbot losgetreten wurde. Zu diesem ist es jedoch aufgrund der zunehmenden Bedeutungslosigkeit der Partei nie gekommen, stattdessen wurden lediglich die staatlichen Finanzmittel gestrichen. Trotz dieser Tatsache ist Die Heimat alleine schon dadurch, dass sie es versteht, verschiedene Spektren innerhalb der Rechten anzusprechen, weiterhin eine Konstante. Sie unterhält beispielsweise gute Kontakte zu dem bestehenden Netzwerk sogenannter „Freier Kameradschaften“, welche de facto lokale, informelle, aber untereinander gut vernetzte Gruppen militanter Faschisten sind.
Ebenso stark sind die Bande zur Partei „Freie Sachsen“. Diese Partei, die gespeist wird von Mitgliedern von AFD, der Heimat und dem III. Weg ist in den letzten Jahren zu einem der politischen Hauptakteure in Sachsen geworden. Die Palette der angesprochenen Themen reicht dabei von der Kritik an Coronamaßnahmen, über Migrationspolitik bis hin zu Friedensverhandlungen, was viele unterschiedliche Menschen, welche die Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik eint, in die Arme der Partei gespült hat.
Auch wenn durch antifaschistische Praxis über die letzten Jahrzehnte die „Die Heimat“, sowie andere Akteure der alten Rechten weitestgehend aus den Großstädten verbannt wurde, verfügt die Partei über eine verschworene Anhängerschaft, sowie eine Jugendorganisation, die „Jungen Nationalisten“ (JN), welche zunehmend an Bedeutung gewinnt. Bei der diesjährigen sogenannten „Brauchtumsfeier“ zur Sommersonnenwende in der Südheide bei Celle haben 50 Mitglieder der „Jungen Nationalisten“ in Manier der Hitlerjugend den Tag auf dem Gelände der bekannten Partei-Immobilie gefeiert. Auch wenn die reinen Mitgliederzahlen recht gering erscheinen mag, gelingt es auch den klassischen Altnazis immer mehr Jugendliche mit TikTok und Instagram anzusprechen. An vielen Orten entstehen mit neuen Instagram-Accounts neue Gruppen, wie „Elblandrevolte“ oder „Deutsche Jugend Voran (DJV)“, welche im August zu einer Demonstration gegen den Christopher Street Day in Bautzen 350 Jungnazis mobilisieren konnten. Dieser Zuspruch gerade unter Jugendlichen lässt erahnen, dass die Vorherrschaft durch klassische Altnazis in Kleinstädten und den Dörfern Ostdeutschlands kein Kapitel sein muss, was mit den 90er Jahren geendet hat.
Einer der jüngeren Akteure der Alten Rechten ist der III. Weg. Dieser hat sich 2013 als Partei gegründet und setzt sich aus Mitgliedern des verbotenen ‚Freies Netz Süd‘ aus Franken, ehemaligen NPD – und Freien Kameradschafts-Mitgliedern zusammen. Der III. Weg geht insofern klassische Wege, als er sowohl in der Sprache als auch im Erscheinungsbild auf die bekannte Neonazi-Ästhetik setzt. Dazu zählen beispielsweise Eichenblätter, Lorbeerkränze, militärische anmutende Bekleidung und schwarze Zunfthosen. War der stete Aufwind des III. Weges während der Coronapandemie kurzzeitig abgeflaut, finden seit Anfang 2023 wieder vermehrt Aktionen statt. Zum diesjährigen Ersten Mai in Sonneberg folgten beispielsweise circa 150 Menschen den internen Mobilisierungen. In den letzten Jahren gelang es zudem insbesondere den sogenannten „Stützpunkten“ des III. Weges im Osten Anlaufstellen in Form von Parteibüros aufzubauen und sich damit als sozialer Akteur in den wirtschaftlich abgehängten Gegenden der neuen Bundesländer zu vermarkten. Neben Demonstrationen lag ein Schwerpunkt in diesem Jahr auf den Kommunalwahlen in Brandenburg, in deren Zuge der III. Weg in der Prignitz und Uckermark ungehindert mehrere Wahlkampfveranstaltungen durchführen konnte. Zu erwarten ist demnach, dass die Aktivität der Partei samt Anhängerschaft vor den Landtagswahlen im September noch einmal deutlich ansteigen wird.
Die letzten Monate und Jahre haben auch noch einmal bestätigt, dass der III. Weg körperliche Auseinandersetzungen und Einschüchterungen von politischen Gegnern offen sucht. Selbst Städte wie Berlin sind davon nicht ausgeschlossen und Übergriffe der Jugendorganisation „National Revolutionäre Jugend“ (NRJ) gehören mittlerweile zum Alltag. Wozu die Partei bereit ist, lässt sich auch an der propagandistisch inszenierten „Grenzschutz“ Aktion in Guben nahe der polnischen Grenze 2021 sehen. Bei den etwa 50 von der Polizei gestellten Mitgliedern wurden neben Nachtsichtgeräten auch Schlagstöcken und Macheten gefunden, mit welchen Jagd auf Geflüchtete gemacht werden sollte. Regelmäßige Kampfsporttrainings der stets präsenten „Arbeitsgemeinschaft Körper und Geist“ auf der einen und kontinuierlicher Austausch mit faschistischen Organisationen aus dem europäischen Ausland, wie dem faschistischen Asow Regiment in der Ukraine, sind Zeugnis der Bereitschaft politische Vorstellung im Falle auch mit (Waffen)-Gewalt auszufechten.
Spektrenübergreifend gilt der Trauermarsch als einer der zentralen Termine, der jährlich anlässlich der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten stattfindet. Auch wenn das ausgeschriebene Ziel noch 2008 lautete, die 10.000-Marke bei den Teilnehmer:innen zu knacken und dieses mittlerweile in weite Ferne gerückt ist, fanden sich auch dieses Jahr über 1000 Faschisten in Dresden ein. Auch hier war ein Sammelsurium von Organisationen von „Der Heimat“, über den „III. Weg“ und der „Neue Stärke Partei“ (NSP), bis hin zu rechten Burschenschaften vertreten.
Seit etwas mehr als zehn Jahren macht insbesondere die ‚Neue Rechte‘ von sich reden. Das Ziel dieser Sammelbewegung ist nach eigenem Verständnis eine ‚konservative Revolution‘. Die historischen Querverbindungen werden zu Intellektuellen der Weimarer Republik gezogen, welche sich schon damals stark auf Volksgemeinschaft, auf Gott, die Natur und auf das Konzept von politischer Führung durch eine Elite bezogen haben. Mit dem Aufkommen der Neuen Rechten fand somit nach Ende des 2. Weltkriegs auch ein Versuch bzw. Prozess der Rehabilitierung faschistoider Ideologien statt, wozu mit Hitler und dem Nationalsozialismus in einigen Punkten gebrochen wurde. Durch diese Abkehr wird versucht, das Dritte Reich als singuläres Ereignis und damit quasi als Zufälligkeit in der Geschichte darzustellen und nicht als logische Entwicklung, die sich aus der totalitären Herrschaft durch eine Staatselite ergeben hatte. Das, was als Initiative von einigen Wenigen unter den Parolen „Kampf um die Köpfe“ und „Kulturrevolution von rechts“ begann, schlug sich insbesondere ab 2010 in verschiedenen Massenbewegungen wieder, wie zum Beispiel PEGIDA. Der Neuen Rechten ist es gelungen, verschiedene Teile einer Bewegung zu konstruieren und zusammenzuführen. Während die AfD der stete Ausdruck in den Parlamenten ist, so hat die Identitäre Bewegung nicht im Geringsten den Anspruch auf Wählbarkeit und fokussiert sich stattdessen auf medienwirksame Aktionen. Die Identitäre Bewegung existiert in Deutschland seit 2014 und wurde von zahlreichen neofaschistischen Organisationen aus dem europäischen Ausland beeinflusst. Gerade auf Jugendliche wusste die IB mit einem subkulturellen Auftreten, wie durch den Rapper Chris Ares und die Aktionen im Rahmen der „Reconquista Kampagne“, Eindruck zu machen. Der Name Reconquista wurde dabei in Anlehnung an die historische Reconquista (711-1492 n.Chr.), also der Kampf der Christen gegen den islamischen Einfluss der Mauren auf der spanischen Halbinsel, gewählt. Dem gegenüber steht im Sinne der Erzählung der Identitären Bewegung ein „großer Austausch“, durch den das deutsche Volk durch leichter kontrollierbare Migrant:innen, insbesondere Menschen muslimischen Glaubens, fingiert durch politische Eliten ausgetauscht werden soll. Als Gegenkonzept dazu fordern Martin Sellner und Co. einen „Ethnopluralismus“, quasi das Nebeneinanderbestehen verschiedener Völker, wodurch eine biologische und kulturelle Reinheit des Volkskörpers erhalten werden soll.
Das dritte Standbein der „Neuen Rechten“ sind neben der politischen Partei (AfD) und der Bewegung auf den Straßen (IB) die Intellektuellen, welche die politische Theorie schaffen, nach der die anderen Akteure handeln. Das „Institut für Staatspolitik“ (IfS), welches diese Aufgabe übernimmt, formulierte das Verhältnis zwischen Partei und Bewegung 2017 wie folgt: ‚Ein tatsächliches Ineinandergreifen parlamentarischer und außerparlamentarischer Akteure müßte anerkennen, daß Parlament und Bewegung sich wie ‚Standbein und Spielbein‘ ergänzen’. Auch wenn das IfS mittlerweile verboten wurde, bestehen die Netzwerke um den Gründer Götz Kubitschek weiter, mit denen er am erklärten Ziel, nämlich der Schaffung einer aus verschiedensten Institutionen, Organisationen und Komponenten bestehenden „Mosaik-Rechten, weiterarbeiten wird.
Den parlamentarischen Ausdruck dieser Neuen Rechten stellen gewisse Teile der AfD dar. Innerhalb dieser Partei, die sich 2013 gründete, konnte sich in den parteiinternen Machtkämpfen der sogenannte „Flügel“ unter dem thüringischen AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke durchsetzen, der wohl innerhalb der AfD am deutlichsten mit faschistischen Ideen sympathisiert. Diese Machtkämpfe hatten nach dem Austritt Frauke Petrys auch 2022 den Austritt Jörg Meuthens zur Folge, der sich dem Einfluss des „Flügels“ in der Partei geschlagen gab. Heute hat dieser Personenkreis einen nicht zu leugnenden Einfluss auf die Parteibasis und auch aus dem diesjährigen Parteitag in Essen wurde ersichtlich, dass der aktuell unter der Führung von Chrupalla und Weidel stehenden Partei nicht daran gelegen ist, interne Streitigkeiten anzufeuern. Im Hinblick auf die Landtagswahlen 2024 werden diejenigen Teile der AfD, die wir ohne große Gewissensbisse als faschistisch bezeichnen können, die Gelegenheit sich weiter zu entfalten und ihre Macht auszubauen. Gerade im Osten ist man sich dabei siegesgewiss, konnten bei der EU-Wahl Anfang Juni 2024 dort im Schnitt 28,7 % eingefahren werden. Das Selbstbewusstsein darüber, in das politische Vakuum Ostdeutschlands zu stoßen, sieht man nicht nur bildlich daran, dass in vielen Dörfern lediglich Plakate der AfD hängen, sondern auch in dem Titel der thüringischen AfD-Plakatkampagne von AfD-Chef Björn Höcke „der Osten machts“. Die AfD und die neue Rechte geben sich bürgernah und vermitteln den Eindruck, die Sorgen der Menschen zu verstehen. Eben diese Präsenz zahlt sich aus, was auch das Compact Magazin um Jörg Elsässer wusste, als es wenige Zeit vor dem Verbot des Magazins eine Reihe von Volksfesten im Osten mit dem Titel „Blaue Welle“ ankündigte.
In Gesamtbetrachtung müssen wir festhalten, dass es die Neue Rechte über einen langen Zeitraum betrachtet geschafft hat, den gesellschaftlichen Diskurs stark zu beeinflussen. Auch wenn manche Teile der Mosaikrechten kein objektiver Durchbruch gelungen ist, sich die Identitäre Bewegung nicht zu einer Massenbewegung entwickelt hat und auch die AfD nicht über eine absolute Mehrheit verfügt, so hat sich die gesellschaftliche Stimmung in Deutschland rasant gewandelt. Was im Hinblick auf Migration vielleicht vor einigen Jahren nur von einem Martin Sellner, dem Kopf der Identitären Bewegung, gesagt werden konnte, ist heute im Bundestag salonfähig. Die Enthüllungen von dem „Geheimtreffen gegen Deutschland“, wie es Correctiv ausgedrückt hat, dürften die Beteiligten im Grunde genommen also ziemlich kaltlassen.
Auf der anderen Seite muss festgehalten werden, dass die Existenz von offen-faschistisch auftretenden Organisationen Akteuren im Staat immer die Möglich gibt, sich nach rechts abzugrenzen. In diesem Sinne hielt auch Franz Josef Strauss, der selbst gute Beziehungen zu der türkisch-faschistischen MHP unterhielt und knapp ein Jahrzehnt die Wehrsportgruppe Hoffmann Bürgerkriegsszenarien trainieren ließ, 1977 fest: „Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“. In den letzten Jahren wurde dennoch der Bewegungsspielraum der Neuen sowie Alten Rechten eingeschränkt, Rechtsrockfestivals, sowie Organisationen wie „Hammerskins“ oder das populäre Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“ (KdN). Ebenso wurde mit dem „Compact Magazin“ das wohl auflagenstärkste Medium der Neuen Rechten verboten. Mit dem parlamentarischen Erfolg der AfD bleibt aber abzusehen, dass Spielräume größer werden und auch wenn sich heute das Bundesinnenministerium nicht mit solch faschistoiden Organisationen gemein machen will und Verbote erlässt, so ist es ebenso Gewissheit, dass manch einer im Staatsapparat weniger Berührungsängste hat, als es die offiziellen Verlautbarungen vermuten lassen. Eine viel zu klare Sprache spricht die Geschichte des „National Sozialistischen Untergrunds“ (NSU), die Entwicklung des früheren Verfassungsschutzchefs Hans Georg Maaßen oder die zahlreichen Fälle von rechten Netzwerken innerhalb der Bundeswehr.